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Seide

Seide

Historisches

Seide ist weltweit bekannt für seine exquisite Schönheit, seinen Glanz, die Glätte und Weichheit. Sie spielte eine große Rolle in der Wirtschaft, in der Kultur, in der Mode und in der Entwicklung von politischen und ökonomischen Allianzen, bereits vor unserer bekannten Geschichtsschreibung. Ihre wahren Ursprünge sind unbekannt. Sie wird nicht nur wegen ihrer Schönheit hochgeschätzt, sondern wurde (und wird) mit Status und Wohlstand in Verbindung gebracht. Man weiß heute das es seit über 5.000 Jahren Seidenstoffe gibt, wahrscheinlich sogar noch länger.

Den Begriff Seidenstraße kennt heute jeder, die welberühmte Handelsroute zwischen Asien und Europa. Sie wechselte im Laufe der Zeit ihre Route, je nach politischer Lage. Seide war ein Machtfaktor der Intrigen und Kriege auslöste. Obwohl man frühe Seidenproduktion aus China und Indien kennt, sahen sich die Chinesen als alleinige rechtmäßige Besitzer des Monopols der Seidenherstellung und verteidgten seine Verbreitung mit allen Mitteln. Umso stärker versuchten andere Machthaber an dieses Wissen (und die Raupen) zu gelangen. Mythen und Legenden ranken sich um diese Zeit, aber auch viele Geschichten über Not und Elend, Sklaverei und Zwangsheirat. Über die Jahrtausende verbreitete sich das Wissen trotz der Schutzmaßnahmen nach Korea, Japan, den fernen Osten, den Himalaya, Frankreich, Nordafrika, Spanien sogar Brasilien. 

Lebenszyklus einer Seidenraupe

Für alle Arten von Seidenraupen ist dieser Zyklus gleich, einzig das Klima ändert wie oft ein Falter brütet. In Klimazonen in denen es Winter gibt wird einmal im Jahr gebrütet, in tropischen Kimazonen mehrfach. Jeder weibliche Falter kann mehrere hundert Eier in der Größe von Mohnsamen bis hin zur Linsengröße legen. 

Nach dem Schlupf geht die Larve durch wenigstens 4 Stadien des Fressens, Wachstums, Häutens und wieder Fressens. Bis er groß und alt genug ist sich zu verpuppen. Dann beginnt die Raupe den wertvollen Kokon zu spinnen, das dauert etwa 3 Tage. 

Die Raupe hat während des Fressens Aminosäuren der Blätter aufgenommen. Diese werden in Seide  umgesetzt. Sie besteht aus 2 Komponenten, dem Fibroin und dem Sericin. Die Raupe gibt das halbflüssige Fibroin beim Spinnen ab, das mit Sericin überzogen ist. An der Luft härtet der zunächst weiche Faden aus und wird zu der Seide die wir kennen. 

Im Kokon entwickelt sich die Raupe zu einen Falter. Wenn der Falter schlüpft gibt sie Enzyme ab die den Kokon aufweichen, der Falter kann dann die Fäden des Kokon beiseite schieben. Alle Fasern die mit dem Enzym in Kontakt kommen sind beschädigt und können bei der Gewinnung der Seide reißen.

Weibliche Falter haben kein Verdauungssystem, einzig Reproduktionsorgane, nach der Paarung und dem Legen der Eier leben sie noch ungefähr eine knappe Woche und sterben an Nahrungsmangel. 

Seidenarten

Wer beginnt sich näher mit Seide zu befassen hat eine menge neuer begriffe zu lernen, Dabei sollen die Folgenden Punkte helfen:

Kulturseide/Zuchtseide 
Die Raupen leben auf Farmen und werden dort von ihren Farmern rund um die Uhr betreut. Jeder Schritt folgt gegebenen Regeln, Vom Futter über Eiablage und Dauer jeden Schrittes ist alles durchgeplant, ganz ähnlich Prozessen in der Produktion. 

Wildseide
Ist weniger restriktiv und kennt viele Varianten. Viele Farmer haben eigene Wälder in denen ihre zuvor ausgewählten Tiere sich verpaaren, Eier ablegen, Raupen heranwachsen und Kokons bilden. Dann erfolgt die Ernte. Selten gehen Farmer in freier Natur auf die Jagd nach natürlich entstandenen Kokons.

  • MAULBEERSEIDE / Zuchtseide

    Bombyx mori 


    Die berühmteste Seide von allen, rein weiß und sehr fein. Sie ist die in der Textilindustrie meistverwendete Seide. Sie wird neben Bombyx auch oft Maulbeerseide genannt, weil sich die Raupen ausschliesslich von den Blättern des Maulbeerbaumes ernähren. 


    Maulbeerseiden-Spinner leben fast ausschließlich auf Farmen, sie werden dort vor Fressfeinden, Krankheiten geschützt und ideal ernährt. Der Lebenszyklus eines Bombyx mori  wird vom ersten bis zum letzten Schritt kontrolliert und organisiert. Es beginnt damit, das vor dem Habhaspeln Kokons ausgesucht werden, deren Falter schlüpfen dürfen, so dass nach deren Paarung eine neue Generation heranwachsen kann.


    Die Tiere werden ausschließlich mit den Blättern des weißen Maulbeerbaumes gefüttert, sie sorgen für die Erzeugung der qualitativ beste Seide.


    Während ihres Lebens werden die Eier, die Larven, die Raupen ständig auf Krankheiten kontrolliert. Unerwünschte Entwicklungen sofort aussortiert und stets nur die besten Tiere "ins Rennen" geschickt. 


    Nach dem Schlüpfen gehen die kleinen Raupen durch 5 Entwicklungsstadien. Nach dem vierten werden sie eingesammelt und für das Spinnen des Kokon in besondere Körbe gesetzt. Nachdem der Kokon 5 Tage alt ist wird er für das Abhaspeln vorbereitet. 


    Da Seidenraupen sehr empfindlich sind, wird ihnen jede Sorfalt und bestes Futter in optimaler Umgebung gegeben, sie sind reine Nutztiere geworden. Wer hier ethische Bedenken hat - Friedensseide ist eine Alternative.

  • TUSSAH SEIDE / Zuchtseide & Wildseide

    Tassar

    Antheraea pernyi aus China

    Antheraea mylitta aus Indien

    Antheraea yamamai aus Japan

    Die meiste Tussah Seide kommt aus China.

     

    In Indien jadgden früher Stammesmänner in den Wäldern, lebten getrennt von ihren Familien, um die beigen bis grauen Kokons zu finden.  Bis heute leben die Raupen halbwild, sie bevorzugen es in freier Natur zu fressen. Die indische Regierung unterstützt mit dem nationalen Central Silk Board (CSB) Farmer um Wälder anzupflanzen in denen Seidenraupen leben können. Dadurch werden einheimische Stämme gefördert die sonst kein Einkommen haben. Mit Pfeil, Bogen und Schleuder bewaffnet beschützen die Farmer ihre Tiere vor Fressfeinden wie Nagern, Vögel und Schlangen. Wenn nötig rund um die Uhr. 


    Die Kokons der Tussah-Raupen sind größer als die der Maulbeerseiden-Spinner. China ist der größte Produzent, dort wird Tussah Seide fast ausschliesslich kultiviert. Tussah Raupen fressen eine Vielzahl verschiedener Eichenblätter und haben 2 Schlupfperioden pro Jahr. 


    Tropische Seidenraupen spinnen einen besonderen Kokon, zunächst spinnen sie eine sehr harte Seide um den Ast, eine Art Stiel (peduncle) an den dann im Anschluss der beige Kokon gesponnen wird. So hängend werden die Kokons geerntet. Der Stiel wird vom Kokon getrennt und zur Weiterverarbeitung gegeben. Siehe Peduncle Seide im Begriffsfeld


    Dann werden die Kokons sortiert zum Abwickeln oder zur Zucht. Diese Seide wird vom indischen CSB klassifiziert als Friedensseide, wird aber definitiv als Filamentseide produziert. Hier hilft nur das Prüfen der Quellen aus denen die Seide stammt. Oder man verwendet aus ethischen Gründen gleich andere Seide. 

  • MUGA SEIDE / Wildseide

    Antheraea assama


    Wird im Nordosten Indiens (Assam) kultiviert. Über die Jahrtausende war diese Seide ausschließlich Königen und sehr hochgestellten Persönlichkeiten auf Grund ihres Glanzes und ihrer goldenen Farbe.

    Die Futterbäume dieser Raupen stehen in der Region des Brahmaputra-Tals. Zunächst nur als Wildfänge verfügbar werden sie nun nach und nach halbwild gehalten, mit Unterstützung des CSB.  

  • ERI SEIDE / Wildseide

    Samia ricini


    Werden hauptsächlich in Nordost-Indien gezüchtet.  Sie wurde bekannt als die Seide des kleinen Mannes, weil die Qualität nicht genauso hoch wie bei den anderen Seiden ist. Die Fasern  glänzen weniger und fühlen sich eher wie Baumwolle an. 


    Das liegt daran das die Raupe ihren Kokon nicht in einem Durchgang spinnt, sondern immer wieder Pausen einlegt. Das führt zu einem Kokon mit unregelmäßigem Filament. 


    Diese Kokons können nicht abgewickelt werden. Man kann sie ausschließlich spinnen. Was Eri Seide zur einzig echten Friedensseide machen würde. 


    Aber: Die Menschen in dieser Region sind arm, die Puppen aus den Kokons gelten als Delikatesse und lassen sich gut verkaufen. Die Farmer verdienen besser am Verkauf der Puppen als der Seide. Für die Frauen in den Dörfern ist Eri Seide kultivieren wie Hühner halten. 


    Die Raupen ernähren sich von den Blättern des Wunderbaums, des Rizinus. Es reicht ein paar Zweige zu bündeln und sie kopfüber über eine Stange zu hängen. 


    Versuche Samia ricini in anderen Teilen der Welt zu kultivieren schlugen bisher fehl. 

  • AHIMSA SEIDE / Friedensseide

    Ahimsa ist Sanskrit und bedeutet: ohne Verletzung oder Schaden. 

    Der Begriff wurde im Jahr 2006 in Indien patentiert, inspiriert von den Lehren Ghandis. Es  wurde patentiert als "umweltfreundliche Methode zur Herstellung von Maulbeerseiden-Garn  das nur gesponnen wird..." Hier steckt es im Detail: Maulbeerseide ist Zuchtseide. Alle Reste der Zuchtseide werden gesponnen, diese Bezeichnung ist keine Garantie für glückliche Falter, sondern ein Marketing-Instrument. 


    Friedensseide (Peace Silk) beschreibt eine Methode der Seidengewinnung das der Motte erlaubt zu schlüpfen, dadurch entsteht ein Loch im Kokon. Egal um welche Falter es sich handelt, diese lebten ein natürliches Leben. 


    Falls Du diese Seide verwenden möchtest, prüfe genau ob es sich um Werbung oder tatsächliche Friedensseide handelt.  Oft werden beide Begriffe für das gleiche Produkt geführt. Das ist nicht hilfreich und hat dazu geführt das manche Handspinner eigene Zuchten anlegen. 

  • Afrikanische Wildseide

    Anaphe infracta lebt auf Tamarinden Bäumen, bildet Kokon-Cluster in einem Gehäuse. Ihre Seide ist rustikal, rauh und stark. Sie widersteht Färbungen. 

    Anaphe moloneyi formen auch Kokon-Kokon-Cluster, aber ohne Gehäuse. Auch ihre Fasern sind rustikal und rauh. 

    Gonometra rufobrannea aurivillius stammt aus Simbabwe, ist hellgrau und er Tussah-Seide nicht unähnlich.

  • VEGANE SEIDE

    Streng genommen gibt es keine vegane Naturseide. Naturseide wird von Tieren produziert.


    Die EU erlaubt bestimmten chemisch erzeugten Fasern und Garnen die Bezeichnung Seide zu führen. Bekanntes Beispiel sind die berühmten Seidenstrümpfe aus Lycra.  


Serikultur - Seidenraupenzucht

Die Zucht von Seidenraupen wird Serikultur genannt und ist ein landwirtschaftlicher Beruf. Er ist nachhaltig und erneuerbar, wird auf kleinen Farmen ausgeübt von Menschen die sorgsam und wissend mit den kostbaren Tieren umgehen. Klingt wie ein Klischee, aber Seidenraupen lassen sich nicht in Massentierhaltung halten und werden von ihren Farmern vor Fressfeinden und Pestiziden geschützt. Sie können nur in ökologisch intakter Umgebung überleben. Es ist ein sehr arbeitsintensives und risikoreiches Unterfangen die Raupen aufzuziehen, sie sind sehr empfindlich. Gleichzeitig hängt der Lebensunterhalt ganzer Gemeinden vom Erfolg der Zucht ab. Seidenspuler (Reeler), Spinner, Färber, Weber sind direkt wirtschaftlich und kulturell mit der Serikultur verbunden. Egal ob die Kokons in Firmen, einem Familien- oder Einzelunternehmen verarbeitet werden, der Prozess ist immer gleich. Kurz gesagt, die Kokons werden abgewickelt. 

Reeled (abgehaspelte) Seide oder Filamentseide ist die höchste Qualität der Seide und hochglänzend. Es gibt keine Möglichkeit die Seide unbeschadet vom Kokon zu wickeln und gleichzeitig den Falter schlüpfen zu lassen. Um die maximale Länge vom Kokon wickeln zu können wird der Kokon intakt gelassen und der Falter getötet (erstickt). Dann werden die Kokons in warmen Wasser eingeweicht um das gummiartige Sericin zu aufzuweichen das den Kokon zusammenhält. Das nennt man Degummieren oder Entschälen. Filamentseide ist so fein, das man sie nicht einzeln sondern in Gruppen von 6 bis 20 Kokons gleichzeitig auf eine Haspel wickelt. Wenn das erweichte Sericin trocknet verbinden sich diese 6 bis 20 Fäden zu einem Faden der ungefähr die Dicke eines menschlichen Haares hat. Diese Seide wird zu 99% von der Textilindustrie verwendet.

Beim Abhaspeln des Filaments vom Kokon bleiben Reste zurück, die Puppe des Falters wird als wichtige Proteinquelle verwendet. Die Reste des Kokons, beschädigte Kokons, Kokons bei denen die Falter schlüpfen konnten werden ebenfalls zu Seide weiter verarbeitet. Sie wird vom Sericin befreit, das nennt man Entbasten oder Degummieren. Dabei wird die Seide weiß. Jenachdem wie die Seidenabfälle weiter verarbeitet werden, werden sie bezeichnet. Die Seide wird in gleichmäßige Stücke geschnitten und kardiert, danach gekämmt. Diese Kammzüge werden zu Seidengarn versponnen. Nahezu alle unsere heutigen Handspinnfasern stammen aus dieser Art der Herstellung. Ganz selten, oft nur durch eigene Zucht, kommen Handspinner an Filamentseide. 

Seide ist nach wie vor so kostbar, das man möglichst alles weiter- und wiederverwendet. Jenachdem in welchem Stadium, welcher Qualität oder Herkunft die Seidenabfälle sind werden sie bezeichnet. Das kann grosse Verwirrung stiften und hat zu Fehlinformationen geführt. Gerade die Hinwendung der Menschen zu Naturschutz, gesunder Lebensweise und Schutz von Ressourcen hat in bester, ethischer Absicht manchmal merkwürdige Aussagen zu Tage gefördert. Stichwort "vegane Seide". Seide ist tierischen Ursprungs, es gibt keine pflanzliche Naturseide. Aber es gibt Friedensseide, hier schlüpft der Falter und wird nicht getötet. 

Begriffe in Zusammenhang mit Seide*

* Es wäre anmassend hier Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. Wer einen Begriff vermisst bitte melden. 
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Handgefärbte Wolle, Garne und Spinnfasern aus Kirchheim Teck. NettisNadelkunst

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