Warum wärmt uns ein Stoff, warum kühlt er? Warum ist er flauschig oder kratzig? Warum ist er so elastisch oder auch nicht?
Zur Klärung dieser Fragen kann die Materialkunde beitragen, es ist sehr sinnvoll etwas über das Material zu wissen, bevor man viele Stunden in seine Verarbeitung investiert.
Das erste Mal stolperte ich über den Ausdruck 'Wolle' beim Stricken. So ziemlich jedes Garn in Knäulform nennt der Laie Wolle, auch wenn es sich um reines Polyester handelt.
Genau das ist mir passiert: Ich ging in ein Wollgeschäft und wollte Wolle für mein nächstes Projekt kaufen, eine Weste. Schon von Weitem leuchtete mich ein wunderschönes, knallrotes Garn an.
Glücklich sah ich noch, das das Garn weich war und die Maschenprobe passen würde, kaufte das sehr günstige Garn und legte los.
Die fertige Weste habe ich nie länger als 30min getragen - es handelte sich um 100% Acryl - ich schwitze quasi sofort in diesem Teil und friere sobald ich seine Wärme bräuchte.
Zur Herstellung von Textilien werden Garne benötigt, diese wiederum bestehen aus Fasern oder Filament (Endlosfasern).
Handspinner spinnen im Stapelspinnverfahren, dabei werden einzelne Fasern oder Faserbündel (Stapel) versetzt verzogen und verdreht: es entsteht ein Garn.
Sowohl die verwendete Spinnmethode als auch das Material der Fasern beeinflussen die Eigenschaften des späteren Garns und schließlich des Textils.
Gehen wir also auf Entdeckungstour:
Wolle, Seide und Haar
Die bekannteste Faser tierischen Ursprungs ist Wolle. Sehr oft wird heute noch der Begriff für alle etwas dickeren Garne verwendet. Sogar bei Baumwolle und Acryl wird oft vom Wollknäul gesprochen.
Das mag mit der Geschichte zu tun haben, nach Bast und Gras war vermutlich Wolle das erste Material aus dem Textiles hergestellt wurde.
Wolle bezeichnet eigentlich ausschließlich die Fasern die von Schafen stammen.
Tierische Fasern bestehen aus Proteinen, deshalb bezeichnet man sie als Proteinfasern.
Folgende Tiere liefern Fasern:
Ziegen
Alpaka
Lama
Yak
Kamel
Guanaco
Vicuna
Dromedar
Moschus Ochsen
Bison
Silberfüchse
Chinchilla
Opossum
Fuchskusu
Nachtfalter (Seide)
Spinnen (Seide)
Kaninchen
Nerz
Hund
Katze
Allgemeine Eigenschaften zu formulieren fällt angesichts der Vielfalt schwer, ein paar gibt es dennoch:
Baumwolle, Flachs und Co.
Pflanzenfasern waren wahrscheinlich die ersten Spinnfasern der Menschheit. Man vermutet das aus Gras und Baumbast zunächst Schnüre von Hand verdrillt wurden. Später wurden diese Schnüre zu Matten geflochten, bevor man das Weben erfand.
Pflanzenfasern bestehen aus Cellulose und kommen aus den verschiedensten Teilen einer Pflanze, wie z.B. den Samen (Baumwolle) oder den Stängeln (Leinen).
Die bekannteste und am meisten genutzte Pflanzenfaser ist Baumwolle. Die Faser hat keine Schuppenstruktur wie Wolle, hat aber mikroskopisch kleine Dreher die helfen die Fasern zusammen zu halten. Bemerkenswert ist die Fähigleit Wasser aufzunehmen und bei Nässe sogar stärker zu werden. Leider ist sie überhaupt nicht elastisch.
Leinen - (Flachs) und Hanffasern werden aus den Pflanzenstengeln gewonnen . Sie haben wunderbare Eigenschaften in Bezug auf Klimaregulierung und Feuchtigkeit, sind haltbar und werden bei Verwendung immer schöner, weicher und glänzender. Leider alles ohne Elastizität.
Bambus wird extrem selten als mechanisch verarbeitete Faser angeboten. Gemeint ist hier das aufwändig aus den Stängeln hergestellte, starke Material. Nicht die chemisch veränderte, weiche und glänzende Faser. Letztere siehe Regenerierte Fasern. Mir ist nur 1 Garn bekannt, das mit mechanisch verarbeitetem Bambus hergestellt wird: Zitron Trekking Pro Natura
Viskose, Lyocell, Modal, Cupro und Co.
Regenerierte Fasern sind im Ursprung Pflanzenfasern, werden aber chemisch so stark verändert, das sie zu den Chemiefasern zählen. Die Herstellung ist nicht umweltfreundlich, auch wenn Pflanzen verwendet werden. Umweltsiegel sind aber möglich, wenn z.B. die verwendeten Chemikalien dem Produktionsprozess wieder zugeführt werden.
Verwendet werden zum Beispiel:
Bambus
Buchenholz
Pinienholz
Eukalyptus
Mais
Soja
Haupsächlich Holzreste und andere Fasern minderer Qualität werden verwendet, die ohne Behandlung nicht zum Spinnen geeignet wären. Das Verfahren wurde erstmals 1884 vom Grafen de Chardonet eingeführt.
Bevor diese Fasern verarbeitet werden können gehen sie durch die verschiedensten chemischen Prozesse. Die Pflanze wird dabei zerkleinert und in Chemikalien aufgelöst, durch Düsen gepresst, um einen Faden zu erzeugen. Dieser wird danach noch mit weiteren Chemikalien behandelt um den Faden zu stabilisieren.
Eigenschaften
Sehr gut für Stoffe geeignet die glänzen sollen und einen schönen Fall haben sollen. Ungeeignet für Stoffe die Elastizität und Reibungsfestigkeit benötigen.
Nylon, Polyester und Co.
Chemiefasern bestehen aus synthetischen Harzen, gewonnen aus Kohlenstoff. Wir kennen Nylon (Polyamid), Polyester und Acryl oder Lycra.
Eigenschaften
Chemiefasern sind die haltbarsten Fasern die wir kennen, deshalb werden sie so gerne Sockengarnen zugegeben. Da Chemiefasern nicht atmungsaktiv sind, eignen sie sich nicht um sie allein einzusetzen. Wir kennen den Effekt stark in Chemiefasern zu schwitzen und anschließend zu frieren.
Nylon ist von allen Synthetikfasern die stärkste und unempfindlichste Faser gegen Reibung. Es wird am häufigsten in Sockengarnen eingesetzt. Zusätzlich erleichtert Nylon den Spinnprozess, man kann feiner spinnen ohne das der Faden reisst. Nylon hat so gut wie keine Elastizität und sollte deshalb nicht mehr als 20% Anteil in Sockengarnen haben, mehr führt zu einem schwitzig-klebrigem Gefühl auf der Haut.
Polyester und Acryl fühlen sich der Wolle sehr ähnlich an. Polyester ist eine starke Faser und wird ebenso in Sockengarnen eingesetzt, neigt aber wie Acryl auch zum Pillen.
Lycra ist wegen seiner Elastizität berühmt, auch als Spandex bekannt. 1 bis 5 Prozent reichen um jedes unelastische Garn in ein Elastisches zu verwandeln. Ab 10% bekommt man ein "Stützstrumpf-Gefühl".
Handgefärbte Wolle, Garne und Spinnfasern aus Kirchheim Teck. NettisNadelkunst
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