Mir ist niemand bekannt der nicht handgestrickte Socken liebt. Selbst passionierte Barfuß-Läufer stehen drauf. Wer einmal gut gearbeitete, handgemachte, womöglich handgesponnene Socken getragen hat, der will sie nicht mehr missen.
Für Strick-Anfänger*innen sind sie oft DER Angstgegner, jedenfalls waren sie das für mich.
Irgendwo hatte ich gehört, das wer Socken stricken kann, ein Strick-Profi ist. Und: "Omas / alte Tanten können sowas." Ich war weder das eine noch das andere, als ich begann zu lernen. Keine meiner Verwandten und Freunde strickten damals, deshalb konnte ich es mir nur selbst beibringen. Erwartete sofort einen Misserfolg, der sich auch "wunschgemäß" einstellte. Eine meiner ersten Socken für Größe 40 war so groß, das sie als Nikolaus-Socke am Kamin geeignet war... oder für für Schuhgröße 60. Meine persönliche Reise war so lang, weil ich mir nichts zutraute und wirklich den dummen Sprüchen von Omas und alten Tanten glaubte.
Heute möchte ich allen Strick-Anfänger*innen zurufen: Lernt an einer Socke, ganz früh. Sie ist ein relativ kleines Projekt, bietet Abwechslung, viele bunte Muster, Farben und jede Menge Übung. Denn man arbeitet alles 2 mal. Es sind nur 2 Schläuche mit einem Knick.
Am fürchterlichsten fand ich diesen "Knick" - die Ferse. Ich widme ihr ein extra Kapitel. Plötzlich war es mit dem netten "immer rundherum" vorbei, die Anleitung schien den Stil der Beschreibung zu ändern. Es schien als fehlten weitere Hinweise. Man wurde aufgefordert, mitten in der Runde umzukehren, auf der Innenseite weiter zu stricken. Ich war zu unsicher und probierte alles (Un-) mögliche aus. Heute weiß ich, eine gute Anleitung lässt nichts aus und setzt nicht viel voraus.
Über die Jahre habe ich eine Liebe zu den kleinen Dingern entwickelt und möchte Euch hier meine Methoden und Tricks verraten. Sie sind nicht neu oder revolutionär, sie sind aus Erfahrung gewachsen:
Was müssen gute Socken können? Was brauchen Sie, um zu funktionieren?
So einfach? Kann nicht sein! Doch - natürlich steckt es wieder im Detail - Lies mal:
Grundlage aller Überlegungen sollte sein, was am Ende Deiner Bemühungen heraus kommen soll.
Wie sollen sie sich an den Füßen anfühlen? Wie lange sollen sie halten? Wie sollen sie passen? Wir suchen mal wieder die berühmte "EIERLEGENDEWOLLMILCHSAU". Wie immer gibt es nicht die eine gute Eigenschaft, die alles möglich macht. Das eine kommt nicht ohne das andere aus.
Elastizität
Stärke
Feuchtigkeitsaufnahme
Passform
Diese 4 bestimmen nachhaltig, ob Dein Projekt ein Top oder Flop wird. Deshalb sehen wir uns das kurz genauer an. Wer richtig tief ins Detail gehen möchte, liest im Buch "The Knitters Book of Socks" von Clara Parkes weiter. Uns allen ist klar weiche Wolle = weicher Pullover. Doch das reicht nicht für unsere Socken (*).
Elastizität
Genau genommen müssen Socken gegen die Schwerkraft arbeiten. Sie werden von den Zehen aus nach oben angezogen, Richtung Bein oder sogar Knie. Nach der Ferse gibt es keinen natürlichen Punkt am Körper, an dem sie sich halten könnten. Als wenn das nicht schon genug wäre, sind diese Füße und Beine ständig in Bewegung.
Eine einfach Lösung sie fest zu halten, wäre sie so eng wie möglich zu stricken, damit sie "bombenfest" am Bein sitzen. Das wäre sehr unangenehm für die Träger, um nicht zu sagen ungesund.
Der Stoff der Socke muss also flexibel sein, fest genug um am Bein zu halten und elastisch genug, um jede Bewegung angenehm zu begleiten. Unsere Füße und Fesseln sind nur ganz oberflächlich betrachtet an allen Stellen gleich stark, auch diese "Unebenheiten" müssen ausgeglichen werden. Beim Anziehen werden die Socken stark gedehnt, müssen dann gleich zurück in ihre Form, damit sie festhalten. Sind wir uns also einig, das Elastizität eine sehr wichtige Eigenschaft für eine gute Socke ist. Also eine Socke aus Gummi? Schon mal Gummihandschuhe länger angehabt? Elastizität kann nur der Anfang sein - wir brauchen weitere gute Eigenschaften.
Jedes Material weist eine unterschiedliche Elastizität auf:
Hinweis: Auch die Fasermischung beeinflusst nachhaltig die Elastizität des Garnes. Das jeweils elastischere Material übernimmt die Aufgaben mit. Dadurch können Schäden entstehen, die sich in schnellem Ausleiern des Materials zeigen. Gute Technologen wissen das und passen ihre Fasermischungen entsprechend an. Leider handeln nicht alle so, da zu oft der niedrigste Preis den Markt diktiert.
(*) ... nicht mal in Bezug auf irgendeinen anderen, beliebigen Gegenstand.
Stärke
Wir tragen unsere Socken aller-meistens in Schuhen. Sobald unser elastisches Garn den Fuß umhüllt, stopfen wir die Socken samt Fuß in eine enge, feste Schale und beginnen zu laufen. Reibung von außen und innen. Um diese ziemlich brutale Behandlung zu überstehen, braucht das Garn Stärke. Idealer Weise von den Fasern des Materials selbst, unterstützt durch die Spinntechnik (Zwirnung), Garnstruktur und der Art des Strickens.
Nylon kann ca. 29,5 kg / 6,5 cm² Belastung aushalten, bevor es bricht. Baumwolle zwischen 18 und 54 kg und Wolle etwa 7 bis 13 kg.
Auch hier bleibt festzuhalten, das sich einzelne Materialien anders verhalten, als Materialien im Verbund. Warum Wolle trotzdem unser Favorit bleibt, klärt die nächste Eigenschaft deutlich:
Feuchtigkeitsaufnahme
Den ganzen Tag auf den Beinen, in Schuhen - wir rennen, stehen, gehen, wippen, wandern,... haben dabei unterschiedlichste Schuhe an, sind unterschiedlichsten Umwelteinflüssen ausgesetzt. Wir schwitzen, manche mehr, manche weniger. Um nun die Arbeit im Schuh richtig gut zu überstehen, muss die Socke also nicht nur Reibung, sondern feucht-warme Reibung prima aushalten können. Ohne das sich die Füße klamm, nass, zu warm, zu kalt oder eingeklemmt anfühlen.
Aufnahmefähigkeit
bezeichnet die Eigenschaft eines Materials Wasser aufzunehmen, ohne das sich das Material feucht anfühlt. Super, genau das brauchen wir für Socken, besonders stark Schwitzende oder in besonders warmen Gegenden. Wir suchen also Fasern mit der höchstmöglichen Aufnahmefähigkeit. Je mehr die Socke aufnehmen kann, desto weniger Feuchtigkeit haben wir auf der Haut.
Nylon kann 1-4% Feuchtigkeit aufnehmen, auch wenn es sehr stark und elastisch ist - allein ideal für Socken ist es nicht. Baumwolle andererseits schafft immerhin 8,5% bevor Du merkst, das der Stoff nass ist. Klingt doch ganz gut, bevor Du hörst, das Wolle hier 13 - 17% schafft. Das bedeutet, das sie etwa 30% ihres Gewichtes an Feuchtigkeit aufnehmen kann, bevor Du überhaupt merkst das die Socke feucht ist.
Deshalb ist Wolle, auch wenn ihre Zugfestigkeit nicht die Beste unter den Materialien ist,
die beste Wahl für Socken.
Je besser eine Faser Feuchtigkeit aufnimmt, desto stärker wird sie geschwächt, desto anfälliger wird sie für Reibung. Das nutzt man zum Beispiel beim Filzen aus. Eine Ausnahme gibt es - Baumwolle.
Regulierung
bezeichnet die Fähigkeit die Feuchtigkeit vom Inneren des Materials wegzuhalten, sie dort zu lassen wo sie ankommt oder sie abperlen zu lassen. Diese Fähigkeit haben viele synthetische Materialien, wie Polyester, Polypropylene und Microfasern. Oft sind diese Fasern zusätzlich noch mit einer Versiegelung versehen, damit sie das Wasser abperlen lassen (Lotus-Effekt).
Passform
Das beste Material der Welt nützt nix, wenn man keine Freude an den neuen Socken hat. Sowohl beim Stricken als auch beim Tragen. Das Garn muss sich gut anfühlen, einfach zu stricken sein, gut über die Nadeln gleiten. Baumwolle zum Beispiel wird in der Industrie mit einer unglaublichen Feinheit versponnen, die Maschinen arbeiten gleichzeitig noch eine Elastizität in den Stoff, die die Baumwolle von Natur aus gar nicht hat. Aber wenn man das Garn zu einer Stärke spinnt, das sich von Hand bequem stricken lässt, sind Deine Möglichkeiten mehr Elastizität in die Socke zu stricken, sehr begrenzt. Man kann Socken aus allen Garnen stricken, auch sehr dicken Garnen. Nur wenn man sie in Schuhen tragen möchte, gibt es auch hier Grenzen. Oder auch Grenzen des körperlichen Gefühls, wie Jucken oder Kratzen, oder ein Gefühl wie in Watte gepackt zu sein.
Die gute Passform spielt eine entscheidende Rolle. Jeder Fuß ist anders, wie gut, das wir es buchstäblich in der Hand haben, sie ihrer Träger*in perfekt auf den Leib zu stricken. Der erste Schritt ist Maßnehmen am Fuß, wenn möglich. Hierfür habe ich ein Arbeitsblatt erstellt, das ich Dir hier gerne als PDF-Datei zur Verfügung stelle:
Der nächste Schritt - oh nein - die Maschenprobe. Ja leider. Auch stimme in den Chor aller Designer*innen ein und singe dieses Lied. Bitte stricke ruhig enger und fester als Du andere Kleidungsstücke arbeitest. Gerne auch mit viel dünneren Nadeln als in den Anleitungen genannt. Je fester Deine Maschen zusammen stehen, desto weniger Reibung kann zwischen den Maschen entstehen, desto länger halten Deine Socken.
Es ist ein testen und trainieren, wie viel Fadenspannung tut Dir noch gut? Ich kenne einige passionierte Sockenstricker*innen mit einer veritablen Rille um den Zeigefinger. Das halte ich nicht aus, ich nehme Nadelstärke 2,25 mm, das ist das Dünnste was ich beim Stricken gerade noch als angenehm empfinde.
Ich empfehle immer, sich nicht sklavisch an Anleitungen zu halten, gerade weil jeder Fuß anders geformt ist. Es gibt wunderbare Bücher zum Thema, wo Designer Baukasten-Systeme anbieten, mit verschiedenen Fersenformen, Bündchen und Spitzen.
Meine "to go" Socke ist auch eine Mischung aus allen möglichen Varianten, die ich so ausprobiert habe. Und stelle sie auch gerne hier zum Download als PDF-Datei nochmals ein:
NettisNadelkunst "Muschdra" Socke
Das Stricken, wie das Tragen soll Freude bereiten. Deshalb müssen wir noch weitere Aspekte betrachten, aber am Ende zählt was Du Dir von Deinem Projekt - Deinen Socken wünscht.
Sollen es die superweichen, fluffigen Söckchen aus Brasilia- Wimperngarn (100% Polyester) in Rosa werden?
Du weist ja nun um die Eigenschaften solcher Socken und hast eine gute Wahl getroffen - Deine eigene!
Alles in allem - es ist ein ein großer Kompromiss - zwischen Materialeigenschaften, den eigenen und den Befindlichkeiten des Empfängers der Socken.
Ich wünsche Dir ganz viel Spaß auf Deiner Abenteuer-Reise in die Welt der Socken!
Handgefärbte Wolle, Garne und Spinnfasern aus Kirchheim Teck. NettisNadelkunst - Online - Wollgeschäft mit Herz.
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